Warum sind Berufsverbände so wichtig?

von

Gerade für allein arbeitende Selbständige ist die Mitgliedschaft in einem Berufsverband meiner Meinung nach von unglaublichem Wert. Das hat vielerlei Gründe: Wenn man angestellt ist und mal nicht gleich weiter weiß, fragt man einfach kurz die Kolleg:innen oder Vorgesetzten. Wen kann ich als Soloselbständige fragen? Da sieht es erstmal schwarz aus - große Leere. Allein, keine Kolleg:innen, keine Unterstützung bei Fragen oder Problemen - das muss nicht sein. Wenn man nicht nur dem Zufall vertrauen möchte, kann man einem Berufsverband beitreten und dort diese Lücke schließen. Ich selbst bin seit 2002 Mitglied im BDÜ - dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. - und habe wirklich sehr stark von diesem Netzwerk profitiert. Ich habe sehr viele Kolleg:innen kennen gelernt, mit denen ich mich auf den Stammtischen austauschen kann, und dabei immer wieder feststelle: Ich bin nicht allein mit meinen Fragen oder kleinen Problemchen, ganz gleich welcher Art. Aber es gibt neben der Geselligkeit auch ganz handfeste berufliche Vorteile, vom günstigen Weiterbildungsangebot bis zu Gruppenversicherungen oder die politische Lobbyarbeit, die der Verband leistet. Ähnliches gilt für den VVU, dem Verband allgemein beeidigter Verhandlungsdolmetscher und öffentlich bestellter und beeidigter Urkundenübersetzer in Baden-Württemberg e.V.

Netzwerken - früher abfällig "Vitamin B wie Beziehungen" genannt

Klingt nach Korruption und Bestechung - ist es aber nicht. Verbindungen sind wichtig, besonders für freiberuflich arbeitende Menschen, die keine Kolleg:innen direkt nebenan haben bzw. eine Organisationsstruktur, die vieles regelt und weitere Ressourcen bietet.

Freiberufliche Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen arbeiten in der Regel mit nur wenigen Sprachpaaren. Ist auch logisch: Alleine schon eine oder zwei Fremdsprachen so zu beherrschen, dass man als Übersetzer:in oder Dolmetscher:in davon leben kann, ist aufwendig. Es wird also immer Sprachkombinationen geben, die man nicht anbieten kann. Hier ist ein großes Kollegennetzwerk von Nutzen, um auch größere Aufträge in der gleichen Sprachkombination oder mit mehreren Sprachen abwickeln zu können. Viele Kunden sind dankbar, wenn sie nicht selbst auf die Suche gehen und alles koordinieren müssen oder einer vertrauenswürdige Empfehlung bekommen. Denn das Übersetzen ist auch eine Vertrauensfrage und dieses Vertrauen wird deutlich gefördert, wenn man sich persönlich kennt.

Auch technische oder Software-Probleme, z. B. mit dem Translation-Memory-System, kommen ab und zu vor. Manchmal sind es nur die kleinen Dinge, die einen sehr behindern können, wenn niemand da ist, der einem mal kurz die Hand reichen kann.

Das Netzwerken ist in diesem Fall ein ausgezeichneter Ersatz für die fehlende Organisationsstruktur mit ihren zahlreichen Ressourcen. Gemeinsam ist man einfach stärker.

Fortbildungsmöglichkeiten

Alle Berufsverbände bieten ihren Mitgliedern vergünstigte Fortbildungsprogramme an, die aber natürlich auch externen Interessenten offen stehen. Die angebotenen Seminare reichen von fachlichen Themen, z. B. Vertragsübersetzen, Englisches Recht, Technikthemen, Medizin, über Marketing und Kalkulation bis zu den ebenfalls wichtigen Softskills wie Stressbewältigung, Selbstorganisation, Motivation, und vieles mehr. Diese Seminare sind zum Teil wesentlich günstiger als das, was auf dem freien Markt angeboten wird, und zudem natürlich speziell auf die Bedürfnisse von Sprachmittlern zugeschnitten.
Und gerade Seminare sind natürlich auch wieder ausgezeichnet dazu geeignet, zu netzwerken und andere Übersetzer:innen oder Dolmetscher:innen kennen zu lernen.

Fazit: Ich selbst habe sowohl persönlich wie auch in meiner beruflichen Entwicklung sehr stark von meiner Mitgliedschaft im BDÜ und VVU profitiert und es noch keinen Tag bereut.

Zurück