ChatGPT - Ein neuer Stern am Übersetzerhimmel?
von Regina Seelos
Was wird uns das neue Jahr bringen?
Über das alte Jahr kann ich mich nicht beschweren. Es gab: Gute Fortbildungen, schöne Aufträge und unsere Netzwerkwebsite der Klartexterinnen hat nach langem Vorlauf das Licht der Welt erblickt.
Aber das Auftauchen von Large Language Models wie ChatGPT hat doch für mehrere kleine Erdbeben in der Textbranche gesorgt und auch in verwandten Branchen wie beim Übersetzen und Dolmetschen. Auch wenn wir schon länger mit neuronalen Netzwerken und maschinellen Übersetzungstools Erfahrung haben, hat es doch einige Kolleg:innen in Aufruhr und auch Sorge versetzt. Wie sich alles entwickelt, kann natürlich keiner voraussagen. Es zeigt sich jedoch, dass auch die KI nur mit Wasser kocht. Beim maschinellen Übersetzen ist ein Plateau erreicht, bei dem im Moment keine großen Sprünge mehr zu erwarten sind, wie ich kürzlich in einem Webinar gelernt habe. Es braucht immer noch die Mitwirkung des Menschen - das heißt, alle diese Technologien bleiben Werkzeuge oder Neudeutsch "Tools", die wir nutzen können. Und zwar dann nutzen können, wenn es sinnvoll ist. Sinnvoll bedeutet für mich immer, wenn sie tatsächlich eine Zeitersparnis und damit Kostenersparnis bieten können. Das ist nicht immer der Fall: Sei es, dass der Formatierungsaufwand zu hoch ist, die Vorbereitung für die elektronische Verarbeitung zu zeitaufwendig, keine ausreichenden und guten Trainingsdaten vorhanden oder die nachträglichen Korrekturen oder Anpassungen an die Firmensprache und Terminologie zu aufwendig sind. Es gibt viele Gründe, warum es gerade bei kleineren Projekten nicht lohnt und der manuelle Weg der einfachere und sparsamere Weg ist. Das ist vielen Einkäufer:innen von Übersetzungen nicht bewusst.
Die Technik hat schon lange Einzug gehalten
Diesbezüglich hat sich unsere Tätigkeit schon gewandelt und wird sich weiter wandeln: vom reinen Übersetzen zum Korrigieren, Lektorieren und Beraten. Unsere Expertise geht, auch was die Technik angeht, schon seit dem Auftauchen der CAT-Tools vor mehr als 20 Jahren weit über das hinaus, was man vom Übersetzen noch aus der Schule kennt. Wir arbeiten zwar immer noch mit Sprache als unseren Rohstoff, den wir verarbeiten und den wir auch weiterhin aus dem Effeff und in allen Nuancen samt der kulturellen Besonderheiten der Ausgangs- und Zielsprachen und jeweiligen Länder kennen müssen, aber inzwischen gehört eben noch sehr viel mehr zum Beruf, wie oben erwähnt. Kein Handwerker arbeitet mehr mit den Werkzeugen von vor 50 Jahren, benötigt inzwischen andere Kenntnisse. So auch in unserem Handwerk.
Wer also wirklich Zeit und Geld sparen möchte, fragt am besten weiter den Profi! Auch 2024.